Die „Ark Angel“

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Herzlich Willkommen zu meiner kleinen Abteilung über die „Ark Angel“.

Die „Ark Angel“ war ein amerikanischer Bomber vom Typ B-24 J mit der Seriennummer 44-40073.

Auf diesen Seiten hier möchte ich die militärhistorische Seiten etwas mehr hervorheben.

Bevor die „Ark Angel“ am 26.11.1944 mit der Crew von David Bennett abstürzte, war sie unter der der Besatzung von Linus J. Box im Einsatz. Box uns seine Crew flogen viele Missionen, ehe sie das Flugzeug an Bennett übergaben.

Kurze Zeit nach der Übergabe stürzt das Flugzeug an diesem verhängnisvollen Totensonntag ab.

Ich möchte hier ein bißchen über die Box-Crew, die B-24 und die Luftkämpfe vom 26. November 1944 in unserer Gegend erzählen.

Die Geschichten auf dieser Seite stammen von Soldaten und Zivilisten, von Allierten und Deutschen und jeder stellt in den jeweiligen Erzählungen seine persönliche Sicht des Krieges dar.

Bevor es weitergeht möchte ich mich nochmal bei all denen bedanken, die mir bei meinen „Recherchen“ geholfen haben, vor allen Dingen bei John Meurs und Roy Hall.

26.11.07


Die Mannschaft of Linus J. Box

Bevor die ‚Ark Angel‘ am 26. November 1944 mit der Crew von David N. Bennett abstürzte, absolvierte die Crew von Linus J. Box auf diesem Flugzeug ihre Einsätze.

Die Crew von Linus J. Box, aufgenommen im August 1944 in North Pickenham, England.

Von links nach rechts:

O. J. A. Brien (Schütze), L. J. Box (Pilot) George C. Shiaras (Ko-pilot), Holland J. Stephens (Navigator), Roy M. Hall (Bombenschütze), John T. Keene (Chef der Bodencrew), unbekannter Mechaniker.

kniend, von links nach rechts: Louis J. Szaflarski (Schütze), Edras T. James (Schütze), Donald Hassen (Flugingenieur & Schütze), Henry L. Delsignore (Funker), Harold L. McLellan (Schütze), unbekannter Mechaniker.

Die Aufnahme entstand nach der 19. Mission.

Roy M. Hall und Linus J.Box saßen nicht nur im selben Flugzeug, sondern teilten auch die Schulbank:

Linus J. Box war ein begnadeter Zeichner. In der unten abgebildeten Karikatur hat er seine Crew festgehalten:

Die Boden-Mannschaft der B-24

Auf dem oberen Foto stehen drei Flugzeugmechaniker der Ark Angel. Der Mann in der Mitte ist John T. Keene (Bild unten). Sie waren dafür zuständig, daß das Flugzeug nach jedem Einsatz wieder flugtauglich gemacht wurde. Auf dem rechten Bild ist John T. Keene knapp 50 Jahre später.

Er war einer der Initatoren der Suche nach den Gräbern der Bennett-Crew. (siehe “ Der letzte Flug der ‚Ark Angel‘ “ auf www.oerie.de)

Leider ist John T. Keene 1993 verstorben. Hätte es das Internet 10 Jahre früher in seiner heutigen Form gegeben, so wäre man sicherlich schneller zueinander gekommen.

In einem Schreiben aus dem Jahre 1991 bedankt sich Mr. Keene bei den Einwohnern von Oerie, nachdem er erfahren hatte, dass die Toten des Absturzes vom November 1944 von den Oeriern bestattet wurden:

„… das deutsche Volk war nicht unser Feind, einzig und allein die Führung und die Regierung wollten wir bekämpfen.

Wir haben das deutsche Volk immer respektiert, sowohl vor als auch nach dem Konflikt. Ich möchte dir und den Leuten danken, die so menschlich waren, und diesen Männer eine christliche Bestattung gaben…“

Oerie 2007


„Eine typische Mission….“

„Ich habe mich gefragt, was die armen Einwohner wohl dachten, als die Bomben um sie herum explodierten.

Wir konnten die Explosionen selber nicht hören, aber wir konnten sie sehen.

Und jeder von uns machte sich seine eigenen Gedanken über die unzähligen Tragödien, die sich dort unten abspielten.

Jedoch sprachen wir nie darüber.

Es war bloß ein widerlicher Job….“

An den Tagen, an denen einen Mission bevorstand, wurden wir morgens ein paar Stunden vor dem Abflug geweckt und zum Frühstück geschickt.

Das Frühstück war immer eine kleine Tortur für mich und die meisten meiner Kameraden.

Die einzigen Eier die es gab, waren „Pulvereier“ (getrockte Eimasse, die vor Ort mit Wasser zubereitet wurde)

Allerdings gab es manchmal, wenn eine besonders schwierige Mission bevorstand, auch frische Eier.

Aber im Normalfall mussten wir mit dem „Pulverfrühstück“ vorlieb nehmen.

Allerdings gab es in der Küche Idioten, die sich Köche nannten. Wenn es denn mal frische Eier gab, wurden diese als Vorrat eingefroren. Und als wir die aufgetauten Eier dann vorgesetzt bekamen, da waren sie in kaltem Fett hartgekocht.

Nach dem Frühstück eilten wir zum Besprechungsräumen, um zu erfahren was für Missionen für uns geplant waren. Wenn man in den Raum eintrat sah man als erstes eine große Wandkarte, die mit einem Vorhang bedeckt war. Hinter diesem Vorhang war unsere Missionsflugroute inklusive Rückflugstrecke, markiert mit Stecknadeln und Bindfäden.

Als wir endlich alle einen Platz gefunden hatten, wurde der Vorhang entfernt, und wir sahen zum ersten

Mal unser Missionsziel. Immer wenn die Route nach Deutschland zeigte, ging ein lautes Raunen durch den Raum, denn wir wußten, das wir wirklich Ärger bekommen würden.

Die Flugroute war so geplant, dass man möglichst wenig Bereiche mit schwerer Flak durchflog.

Gelegentlich irrte sich die Planung und die Bomberbesatzungen mußten für diese Fehler bezahlen.

Der verantwortliche Offizier gab uns dann generelle Anweisungen, die die Mission betrafen und anschließend wurde uns die Wettervorhersage für den Flug gegeben.

Danach gab es spezielle Besprechungen für die Piloten, die Navigatoren und die Bombenschützen.

In den Besprechungen für die Bombenschützen erhielten wir genaue Angaben über den Zielpunkt und wir mußten uns mit den Gegebenheiten im Zielgebiet vertraut machen.

Ein Arzt war immer dabei, um uns im zweifelsfalle Benzedrin (Anmerkung: stark stimulierende organische Verbindung; auch als Weckamine bekannt.) Tabletten für den Flug zu geben.

Diese Tabletten hielten einen wach und machten uns besonders aufmerksam und wenn wir welche wollten, bekammen wir auch welche.

Nach den Besprechungen wurden wir mit Jeeps oder LKWs zu unseren Flugzeugen gebracht.

Die Instandsetzungsmannschaften hatten die ganze Nacht an den Maschinen gearbeitet und bereits mit Bomben beladen.

Unser Flugzeug konnte vier 2000-Pfund Bomben aufnehmen. Diese konnten entweder manuell oder über das Bombenabwurfgerät abgeworfen werden.

Nach dem Start mußten wir erstmal ein paar Warterunden über dem Flugplatz drehen, um auf die anderen Flugzeugen zu warten. Als alle in der Luft waren formierten wir uns und flogen Richtung Küste. Auf dem Weg dorthin prüften wir unsere Bordwaffen, indem wir ein paar Salven in die Luft abgaben.

Jedes Flugzeug hatte 10 Maschinengewehre vom Kaliber 0.50 mit je 500 Schuß, wenn ich mich richtig erinnere.

Als wir die französische Küste überflogen gingen alle auf Alarmstation.

Unsere reguläre Angriffsflughöhe betrug ca. 8.000 Meter und wir mußten deshalb auch Sauerstoffmasken tragen. Unsere Angriffsrouten wurden so geplant, daß die deutsche Abwehr bis kurz vor dem Ziel nicht wußte, wo wir wirklich angriffen. Deshalb wurde an dem sogenannten „I.P“ (Initial Punkt), der in Nähe unsere Zieles lag, in Richtung des Ziels umgeschwenkt. Erst in dem Moment konnten die Deutschen das Ziel ermitteln und Gegenmaßnahmen einleiten.

Nach dem „I.P“ wurde die Flugkontrolle an den Bombenschützen übergeben und die Klappen für die Bombenschächte wurden geöffnet.

Der Bombenschütze hatte für den Abwurf das sogenannte „Norden“ Bombenabwurfgerät zur Verfügung.

Nach der Eingabe der Höhe, des Bombentyps, der Fluggeschwindigkeit und anderer Daten, konnte das Gerät den Abwurfzeitpunkt berechnen. Dazu mußte man das Ziel mit dem eingebautem Fadenkreuz fixieren und bestätigen.

Wenn das Flugzeug den vom Gerät berechneten Abwurfpunkt erreicht hatte, wurden die Bomben automatisch abgeworfen. In dem Moment als das Flugzeug um die Bombenlast erleichtert war, stieg es abrupt in die Höhe. Anschließend rief der Bombenschütze die erlösenden Worte „Bomben abgeworfen“, und in einer scharfen Kurve flogen wir wieder Richtung Heimatflughafen.

Während des Fluges trugen wir alle eine Flak-Weste und einen Stahlhelm. Unsere Fliegerkleidung hatte kleine eingenähte Heizdrähte, die in der Kälte auch notwendig waren.

Hätten wir uns mit normalen Kleidungsstücken gegen die Kälte schützen müssen, wären wir ziemlich

unbeweglich geworden.

Das berühmte Norden-Gerät war in der „Nase“ unter dem Front-Geschütz installiert.

Die Front war der besseren Sicht wegen verglast.

Weil das Geschütz sich drehen musste, konnte man diesen Bereich nicht komplett abdichten.

Ich kann mich erinnern, daß mich beim Bedienen des Norden-Geräts jedesmal ein eisiger Luftstrom im Gesicht traf.

Man mußte außerdem eine Art Schlangenmensch sein, um diese Geräte zu bedienen:

Der linke Arm mußte unter den rechten Arm und die linke Hand musste einen der Knöpfe bedienen.

Ich kann mich an eine Mission erinnern, bei der ich echte Probleme hatte:

Wir hatten gerade unsere Flughöhe von 8000 m erreicht, da bekam ich Schwierigkeiten mit meiner linken Hand. Ich konnte sie kaum noch bewegen. Allerdings erzählte ich niemandem davon, sonst hätte wir umkehren müssen. Das Gebiet über dem Ziel war meistens erfüllt mit einem dicken Vorhang aus den Flak-Explosionen.

Besonders bei Anlagen, die wichtig für die Kriegsführung waren, erwartete uns heftigste Gegenwehr.

Die Deutschen legten ein schweres Sperrfeuer über das Ziel, weil sie wußten, dass wir dadurch mußten.

Der Anblick dieser schwarzen Feuerwand zerrte an unseren Nerven.

Ich habe oft vorrausfliegende Flugzeuge gesehen, die einfach in den dunklen Schwaden verschwanden.

„Wir können doch nicht dadurch !“ dachte ich oft, aber wir taten es. Es war wirklich mehr beängstigend als gefährlich.

Einige Flugzeuge wurden getroffen und auch wir erhielten einige Treffer von umherfliegenden Schrappnels, aber in wirklich Gefahr gerieten wir nicht.

Wir lernten bald, die Explosionen der Flak-Granaten einzuschätzen.

Waren es nur leichte Verpuffungen, so wußten wir, daß die Gefahr nicht so groß war. Waren die Explosionen aber ölig-schmierig und schwarz, bedeutete dies Gefahr. Dann hörten wir ständig die Einschläge der kleinen Schrapnell. Es hörte sich an wie Hagel.

Manchmal begegneten wir deutschen Abfangjägern, die wir wirklich fürchteten. Jedoch hatten wir nie richtigen Ärger mit ihnen, da sie das Flak-Feuer genauso fürchteten wie wir.

Wenn mal ein Jäger an uns herankam, fingen sofort alle Maschinengewehrpositionen an, aus allen Rohren zu feuern.

Der Navigator und ich, als Bombenschützen, wir waren ja anderweitig beschäftigt und konnten uns aber vorstellen, was draußen gerade passierte.

Das machte einen wirklich fertig.

Einmal hatte der Bombenabwurfmechanismus eine Fehlfunktion und wir konnten unsere Bomben nicht über dem geplanten Ziel abwerfen.

Deshalb mußten wir nach der Reparatur uns auf dem Heimweg ein Ausweichziel suchen. Meistens suchten wir uns Brücken oder Eisenbahnstrecken als Ersatz aus.

Wenn wir unsere Bomben über Städten abwarfen, habe ich oft auf die brennenden Gebäude runtergeschaut.

Ich habe mich gefragt, was die armen Einwohner wohl dachten, als die Bomben um sie herum explodierten.

Wir konnten die Explosionen selber nicht hören, aber wir konnten sie sehen.

Und jeder von uns machte sich seine eigenen Gedanken über die unzähligen Tragödien, die sich dort unten abspielten.

Jedoch sprachen wir nie darüber.

Es war bloß ein widerlicher Job.

Als wir die Küste auf unserem Heimflug hinter uns ließen, war das schlimmste vorbei.

Trotzdem mußten wir aufpassen, dass wir nicht von deutschen Jägern verfolgt wurden.

Unsere Bomber wären ein leichtes Fressen beim Landeanflug gewesen.

Uns ist so etwas nie passiert, allerdings sind einige andere Gruppen angegriffen worden, besonders nachts.

Waren Verwundete an Bord, wurden rote Leuchtgeschosse abgefeuert, um die Ambulanz darauf vorzubereiten.

Nach der Landung gab es eine Nachbesprechung, bei der jedes Besatzungsmitglied den Verlauf der Mission aus seiner Sicht erzählen mußte.

Manchmal gab es sogar Whiskey für uns. Meistens wollten wir nach einer Mission aber sofort ins Bett, denn ein stundenlanger Flug in so einer Höhe strengte ganz schön an.


Der Angriff auf Misburg am 26. November 1944

Entnommen aus dem Buch von Siegfried Engelhardt „5 Jahre im Hagel der Bomben“ – Siegfried Engelhardt, Jahrgang 1929, war Misburger. Die Kriegsjahre und die Luftangriffe erlebte er in Misburg. Er hat seine Erinnerungen durch Befragung von Zeitzeugen vertieft und aufgearbeitet. Die folgende Passagen zum 26.11.1944 geben den Luftangriff aus der Perspektive der Misburger wieder.

Ich selber hatte die Gelegenheit, Herrn Engelhardt 2002 zu seinen Erlebnissen zu befragen.

An diesem Morgen starteten in England 1137 Bomber und 732 Begleitjäger. Die Bomber flogen in zwei getrennten Bomberströmen in Deutschland ein, der nördliche über Holland in den Raum Lingen mit Kurs auf den Dümmer See, der südliche über Belgien in den Raum Siegen.

Als Ziele waren Eisenbahnanlagen in Hamm, Altenbeken, Osnabrück, Bielefeld, Gütersloh und Herford festgelegt.

Aber auch die letzte damals noch arbeitsfähige Ölraffinerie stand im Angriffsprogramm.

Und das war Misburg.

Für Misburg waren 243 Bomber des Typs B-17 (Fliegende Festung) und 57 des Typs B-24 (Liberator) vorgesehen.

Diese Maschinen flogen in dem nördlichen Bomberstrom.

Um 10.46 Uhr wurde in Misburg Fliegeralarm gegeben und kurz darauf wurde der Ort auch schon eingenebelt, offenbar in böser Vorahnung, denn zu diesem Zeitpunkt befand sich die Spitze der Bomberverbände noch im Raum des Dümmer Sees. Sie flogen weiter mit Kurs Ost bis in Höhe des Steinhuder Meeres, dann schwenkten die Verbände auf Kurs Nordost und flogen nördlich an Hannover vorbei bis in den Raum Soltau-Uelzen. Dort wendete ein Teil der Verbände auf Südwestkurs, der andere Teil flog zunächst mit Südostkurs in Richtung Braunschweig, drehte dann aber auf Kurs West und flog über Peine-Lehrte auf Misburg zu.

Damit wurde Misburg in die Zange genommen und vom Nordosten und Osten gleichzeitig angegriffen. 

Die ersten Bomben fielen um 12.08 Uhr und dann rollten in ununterbrochener Folge die Bombenteppiche über Misburg hinweg. Insgesamt waren es 14 Bombenteppiche mit 3300 Bomben vom Kaliber 250 kg und 500 kg. Nach US Angaben wurde eine Bombenmenge von 863 t abgeworfen. Diese Menge übertraf alles, was bisher in einem Angriff auf Misburg herunterkam.

Das Erdbeben, das diese Bombenteppiche auslösten, dauerte eine halbe Stunde. Das war eine endlose Zeit für die Menschen, die eng zusammengekauert bei völliger Dunkelheit in den schwankenden Bunkern saßen. Durch die Lüftungsschächte war das Getöse der detonierenden Bomben zu hören.

Im Bunker selbst herrschte eine beklemmende Stille. Niemand sprach ein Wort.

Nur hin und wieder weinte irgendwo ein Kind. Alle hofften nur, daß das Inferno bald vorüber wäre.

Eine Katastrophe brach aber zur gleichen Zeit über die Bewohner des Wohngebietes Teutonia herein, die in einem Bunker auf dem Werksgelände Schutz gesucht hatten. Insgesamt waren es etwa 100 Personen, meist Frauen, Kinder und ältere Leute. Eine.Sprengbombe traf den Bunker von der Seite. Sie durchbrach die Außenwand des einen Schutzraumes und 45 Menschen, die sich in diesem Raum befunden hatten, kamen ums Leben. Alle anderen, die sich in den anderen Räumen oder auf den Gängen aufhielten, kamen mit dem Schrecken, aber auch z.T. mit schweren Verletzungen davon.

Die Überlebenden retteten sich ins Freie und versorgten trotz der immer noch fallenden Bomben zunächst die Verletzten. Alle waren so benommen, daß sie gar nicht wahrnahmen, was um sie herum vorging.

Hilfe durch Sanitäter oder einen Arzt gab es nicht. Erst am späten Nachmittag kam Herr Könnecker, der Leiter des Sanitätstrupps Misburg44, der sich um die Verletzten kümmerte und – soweit erforderlich – den Abtransport in Kran kenhäuser veranlaßte.

Aber auch für die Angreifer war dieser Einsatz kein Spaziergang gewesen. Die deutsche Luftwaffe hatte an diesem Tage noch einmal etwa 500 Jagdflugzeuge – auch Nachtjäger – aufgeboten, die sich der erdrückenden Übermacht der angreifenden Bomber- und Jagdverbände entgegenwarfen. Roger A. Freeman geht in seinem Buch „The Mighty Eight“ direkt auf diesen Argriff ein. Er berichtet, daß unmittelbar über dem Ziel (Misburg), gerade als die beiden Gruppen der Liberator-Bomber beim Abwurf der Bomben waren, sich eine Gruppe von Focke-Wulf-Jägern in mehreren Wellen von oben durch die dichtaufgeschlossen fliegenden Bomber stürzte und dabei 20 von ihnen herunterholte. 

Vier dieser Bomber stürzten im Gebiet zwischen Misburger Wald und Fasanenkrug ab. Dieser Angriff der deutschen Jäger muß schon mit dem Mut der Verzweiflung geflogen worden sein, denn sie setzten sich nicht nur dem Abwehrfeuer der eigenen Flak aus, sondern sie gerieten beim Abtauchen nach dem Angriff auch noch wischen die fallenden Bomben. Diese Angriffsmethode wurde zuerst von den deutschen Nachtjägern angewendet und hieß in ihrer Sprache „Die wilde Sau“.

Insgesamt wurden bei diesem Angriff 35 amerikanische Bomber abgeschossen. Die deutschen Jagdflieger verloren selbst 87 Maschinen. Dabei fanden 57 Piloten, darunter 5 Staffelkapitäne, den Tod.

Diese Schilderung zeigt, wie unerbittlich der Luftkrieg zu dieser Zeit geführt wurde. Die hohen Verluste und dazu der Mangel an Treibstoff führten in kurzer Zeit zum völligen Zusammenbruch der deutschen Luftverteidigung.

Als sich die Misburger nach der Entwarnung um 13.24 Uhr, noch immer geschockt von den Ereignissen der letzten Stunde, aus den Bunkern wieder ans Tageslicht wagen konnten, fanden sie nur noch ein Chaos vor. Die Zerstörungen im Ort hatten ein Ausmaß erreicht, wie noch niemals zuvor. Allein 500 Sprengbomben hatten die DEURAG-NERAG getroffen. Das Werk stand voll in Flammen und darüber stieg wieder einmal ein riesiger Rauchpilz in die Höhe. Der entstandene Sachschaden wurde auf etwa 4,5 Millionen Reichsmark geschätzt.

Von etwa 550 Bomben getroffen, war die Güterbahnstrecke zwischen Güter-bahnhof und Lehrte förmlich umgepflügt worden. Auch in die Anlagen des Stichkanals waren 50 Bomben eingeschlagen. Auf die Misburger Zementwerke HPC, Norddeutsche PC und Germania fielen 145 Bomben. Die Werkstätten der Firma Hermann Rethfeldt wurden von 10 Bomben getroffen.

Die Teutonia, die Eisengießerei Heag und Firma Kraul & Wilkening & Stelling erhielten zusammen etwa 350 Bombentreffer. (Bei der Heag wurden damals Granaten produziert). In allen getroffenen Industriebetrieben trat für nicht absehbare Zeit ein totaler Produktionsausfall ein.

Im Bereich der Hindenburgschleuse wurden 40 Bombeneinschläge gezählt. Die Schleuse selbst wurde aber nur leicht beschädigt.

Die Wohngebiete im Umkreis der Straßen Am Seelberg, der Hannoverschen Straße, der Buchholzer Straße, der Waldstraße, der Bahnhofstraße (Anderter Straße), Teutonia und Jerusalem wurden insgesamt von 800 Sprengbomben getroffen. Dabei wurden 65 Wohnhäuser total zerstört, 68 schwer, 42 mittelschwer und 83 leicht beschädigt. Die Dach- und Fensterschäden waren gar nicht zu erfassen. 1350 Mitbürger wurden obdachlos.

Sämtliche Versorgungsleitungen von Wasser, Elektrizität, Gas und Telefon waren durch 75 Bombentreffer zerstört worden, und die Straßen waren für Fahrzeuge unpassierbar. Die Volksschule I an der Johanniskirche wurde völlig zerstört. Auch das schöne Gebäude der Germania-Apotheke wurde dem Erdboden gleich gemacht. Das Bürgermeisteramt und die Johanniskirche wurden schwer, das Jugendheim mittelschwer beschädigt.

Als die Misburger nach dem ersten Schock wieder zur Tagesordnung übergingen und mit inzwischen gewohnter Routine darangingen, Dächer, Fenster und Türen zu reparieren, um die Wohnungen wenigsten notdürftig wetterfest zu machen, konnte keiner von ihnen ahnen, daß nur drei Tage später ein neuer schwerer Angriff auf Misburg erfolgen sollte…